Wenn das Schulkind aus dem Gleichgewicht gerät
- Sigrid Strieder
- 22. Juni
- 5 Min. Lesezeit

Heute geht es in meinem Blogbeitrag um ein Gespräch mit Juliane Danziger, der Autorin von „Schulkind außer Kontrolle – was wirklich hinter ADHS & Co. steckt und wie du dein Kind fördern kannst“
Manche Tage fühlen sich an, als hätte jemand den Lautstärkeregler des Familienlebens auf Anschlag gedreht. Wenn dein Kind scheinbar pausenlos in Bewegung ist, kaum stillsitzen kann, impulsiv reagiert oder sich schwer konzentriert – dann ist das kein Ausdruck von schlechtem Benehmen oder Erziehungsversagen. Es könnte ein Hinweis auf ADHS sein. Doch was bedeutet das eigentlich genau? Und vor allem: Was steckt wirklich dahinter?
Immer mehr Eltern suchen nach Antworten – jenseits von Schubladendiagnosen und reinen Symptombehandlungen. Eine, die sich intensiv mit den vielschichtigen Ursachen von ADHS beschäftigt hat, ist die Heilpraktikerin und Osteopathin Juliane Danziger. In ihrem Buch „Schulkind außer Kontrolle“ schlägt sie einen mutigen Bogen: von frühkindlichen Reflexen über Ernährung, Medienkonsum und Schlaf bis hin zu naturheilkundlichen Therapieansätzen. Und das Beste: Sie spricht Eltern aus der Seele – einfühlsam, ermutigend und voller praktischer Ideen.
Ich habe mit ihr über ihr Buch gesprochen – und sie hat mir mit großer Offenheit geantwortet.
1. Was war der Auslöser, dieses Buch zu schreiben? Gab es einen persönlichen Moment, der dich besonders berührt hat?
Autorin: Ja, es gab mehrere Auslöser dafür. Unter anderem mein Sohn, der auch sehr unruhig und impulsiv war. Ich habe mich damals auf den Weg gemacht und nach ursachenorientierten Lösungen gesucht. Als ich die frühkindlichen Reflexe kennenlernte, war das wie ein Wow-Effekt für mich. Die ersten Übungen zur Reflexintegration waren für meinen Sohn, als würde eine unsichtbare Kraft wirken. Türen haben sich geöffnet und es war ein richtiger Aha-Moment. Das war auch die Zeit, in der ich mich als Kindertherapeutin weitergebildet habe. Ich erinnere mich außerdem an ein kleines Mädchen aus meiner Praxis, welches völlig überreizt und voller Wutanfälle war. Nach 1,5 Jahren gemeinsamer Arbeit konnte ich sie entlassen und die Eltern verabschiedeten mich mit den Worten, ich hätte ihnen ihre Familie wiedergegeben. Und dieses Wissen muss raus. Ich möchte aufklären, dass es nicht nur den Ritalin-Weg gibt, sondern auch einen naturheilkundlichen Weg.
2. Du schreibst über frühkindliche Reflexe – für viele ein unbekanntes Thema. Warum sind sie für dich so zentral in der ADHS-Thematik?
Autorin: Die frühkindlichen Reflexe sind tatsächlich ein zentrales Tool in der Behandlung von ADHS-Kindern. Es ist ein wichtiges Puzzleteil und noch viel zu wenig bekannt. Die frühkindlichen Reflexe sind sehr wichtige Programme, sie sichern das Überleben im Mutterleib, bei der Geburt und in den ersten Lebensmonaten. Sie helfen zudem dem Gehirn, zur Reife zu kommen. Bei einem normalen Verlauf integrieren sich die Reflexe im Babyalter, d.h., sie bilden sich zurück. Findet diese Rückbildung nicht statt, wirkt das wie ein Störfeuer auf das System mit vielfachen Auswirkungen. Bildet sich z.B. der Moro-Reflex nicht zurück, bleibt das Kind fortwährend im Kampf- und Fluchtmodus. Das Nervensystem ist überreizt, es kommt immer wieder zu emotionalen Ausbrüchen und das Kind kann sein Potenzial nicht entfalten. Es ist wichtig, darüber aufzuklären und den Eltern zu sagen, dass Maßnahmen wie Physio- und Ergotherapie nicht funktionieren können, wenn frühkindliche Reflexe noch da sind.
3. Du beleuchtest viele Einflussfaktoren: Ernährung, Medien, Elektrosmog, Schlaf und noch mehr. Wird das nicht schnell zu viel für Eltern?
Autorin: Wenn man wirklich verstehen will, wieso sich ein Kind so verhält, ist es einfach wichtig, sich intensiver mit dem Thema und den vielschichtigen Ursachen zu beschäftigen. Die körperliche Entwicklung, das Gefühl emotionaler Sicherheit, die digitale Reizüberflutung, Nährstoffmängel, ein guter Schlaf und die frühkindlichen Reflexe sind alles Stellschrauben, die betrachtet werden sollten. Es langt eben meist nicht, nur an einer Stellschraube zu drehen. Laufen die anderen Stellschrauben schlecht, verpufft die Wirkung. Ist das Kind zwar top ernährt, aber digital überreizt, ist das Nervensystem immer noch überlastet. Früher waren von 20 Kindern zwei auffällig. Heute sind von 20 Kindern zwei unauffällig. Das hat doch was mit den geänderten Lebensbedingungen zu tun und da muss eben auch hingeschaut werden. Aber niemand muss alles auf einmal machen, sondern man kann auch Schritt für Schritt an die Themen gehen.
4. Welche Rolle spielt die Naturheilkunde in deinem Ansatz – und warum hältst du sie für so wertvoll bei ADHS?
Autorin: Die Naturheilkunde ist für mich neben der Osteopathie ein großes Herzensanliegen. Nicht nur das Symptom zu behandeln, sondern das Thema ganzheitlich zu betrachten, das ist wichtig. Was braucht das Kind insgesamt, dass es besser regulieren kann. Da hat die Naturheilkunde viel zu bieten, die Natur hält für alles etwas bereit. Messbare Nährstoffmängel, Homöopathie, Schüssler Salze und ätherische Öle setzen dort an, wo die Schulmedizin aufhört. Hier können wir gut unterstützen. Osteopathie Reflexintegration, Ausleitung von Giften, das alles sind Maßnahmen, die das Kind in seiner Entwicklung fördern und dabei kaum bis keine Nebenwirkungen haben.
5. Du gibst Eltern nicht nur Wissen, sondern auch Werkzeuge mit an die Hand. Was erwartet die Leser im dazugehörigen Workbook?
Autorin: Das Workbook ist ein zentraler Bestandteil des Buches. Es ist wichtig, dass Eltern in die Umsetzung kommen. Das Workbook bietet Denkanstöße, über die Eltern reflektieren können und die ihnen helfen, mögliche Ursachen herauszuarbeiten. Es gibt dort einen Fragebogen, mit dem Eltern einschätzen können, wie wahrscheinlich es ist, das frühkindliche Reflexe noch vorhanden sind. Es gibt Anregungen zur Ernährung mit Rezeptideen und zur Hilfestellung bei motorischen Störungen. Wie lassen sich rechte und linke Gehirnhälfte aktivieren als Tool bei der Hausaufgabenbewältigung. Ferner gibt es Tipps zum Umgang mit den digitalen Medien und zur Verbesserung des Schlafes. Es wird ein Blick auf die gesamte Familienstruktur geworfen, um zu sehen, wo Änderungen zu mehr Ruhe und Freude in der Familie führen können.
6. Was möchtest du Eltern zum Abschluss noch mit auf den Weg geben?
Autorin: Ich möchte den Eltern sagen: nein, es verwächst sich nicht, auch wenn es mitunter so gesagt wird. Schaut bitte weiter und hört auf euer Bauchgefühl, euer Kind hat nur euch. Kinder verhalten sich nicht so, um ihre Eltern zu ärgern, nein, sie können nicht anders. Setzt euch mit dem Thema auseinander und entwickelt ein Verständnis dafür, was es wirklich braucht. Ich sage nicht, dass Medikamente nie die Lösung sind, aber es sollte nicht der erste Weg sein. Sucht euch Jemanden, der euch helfen kann. Jedes Kind verdient es, dass wir alles dafür tun, dass es sich entfalten kann.
Fazit:
Dieses Buch ist kein Ratgeber wie jeder andere. Es ist ein Kompass für Eltern, die sich zwischen Schulstress, Diagnosen und Alltagschaos nach Orientierung sehnen. Juliane Danziger zeigt auf berührende Weise, dass hinter jedem auffälligen Verhalten eine Geschichte steckt – und dass es Wege gibt, diese Geschichte neu zu schreiben.
Wenn du also das Gefühl hast, dein Kind „funktioniert“ nicht so, wie es von ihm erwartet wird – dann könnte genau das der Anfang einer spannenden Reise sein. Einer Reise, die zurück zu mehr Verbindung, Verständnis und Lebendigkeit führt.
Mich hat dieses Buch direkt angesprochen, weil es genau die Punkte anspricht, die mir im Behandlungsansatz in meiner Praxis auch wichtig sind. Die Gedanken auf den Punkt zu bringen und in ein Buch zu fassen finde ich prima, so können Eltern immer wieder nachlesen und reflektieren.
Liebe Juliane, ich danke dir für dieses Interview.
PS: Das Buch „Schulkind außer Kontrolle“ bekommst du bei Amazon – inklusive kostenlosem Download des begleitenden Workbooks.
Wer schreibt den Blog-Artikel?
Mein Name ist Sigrid Strieder, ich bin Heilpraktikerin und ich helfe Menschen, die offen für naturheilkundliche Wege sind, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu verbessern - und das mit individuellen und ganzheitlichen Ansätzen.